Zu keiner Zeit hat sich die Welt so rasant gewandelt wie heu-te. Die Digitalisierung verändert, wie wir arbeiten, wie wir einkau-fen, wie wir kommunizieren, wie wir uns verlieben. Wohin führtuns diese Entwicklung? Wie viel technische Innovation tut unsüberhaupt gut? Bestsellerautor Frank Schätzing dachte für unsüber das Verhältnis von Mensch und Technik nach.
FOTOGRAF //HEINZ AUGÉ
INTERVIEW //FRANK SCHÄTZING, SCHRIFTSTELLER
IM GESPRÄCH MIT ALEXANDRA BERGER
Roboter machen die Arbeit, und wir liegen mit einem Drink in der Hand in der Hänge-matte, spielen Tennis, machen Musik – eine schöne Vorstellung?
FRANK SCHÄTZING: Dass Roboter zunehmend Arbeiten verrichten, die jetzt nochvon Menschen erledigt werden, ist realistisch. Dass dann alle einem finanziell gutabgefederten Müßiggang nachgehen, eher nicht. Im Idealfall hilft uns Robotik, unsauf höhere Aufgaben zu konzentrieren. Etwa, eine gerechtere Welt zu schaffen.
Geht uns das Menschliche im Leben verloren, wenn wir von immer mehr Technik um-geben sind? Verdrängt die Technik das Menschliche? Und wenn: Wäre das schlimm?
FS: Technik wird von Menschen gemacht, insofern ist sie zuallererst Ausdruck men-schlichen Erfindergeists. Wir sind nicht unmenschlicher geworden durch die Erfin-dung des Faustkeils, des Rades, des Automobils, des Flugzeugs, des Computers. Tat-sächlich ist auch die selbstlernende künstliche Intelligenz in erster Linie das Produktihrer Programmierer, also der Menschen. Neu ist, dass die autonome Weiterentwick-lung von Programmen eine Entwicklung in Gang setzt, deren Ausgang wir nichtkennen können. Die Frage ist also: Lassen wir zu, dass die künstliche Intelligenzzum Konkurrenten der menschlichen Intelligenz wird? Dann würde das unsereMenschlichkeit insofern fördern, als sie die Basis einer Gegenbewegung darstellte.Oder verschmelzen wir im positiven Sinne mit künstlicher Intelligenz? Das wäredann der nächsthöhere Schritt in unserer Evolution. Der Mensch wird sich weiterverändern. Physisch und damit auch psychisch. Gut möglich, dass ein Techno sapi-ens im ethischen Sinne weit menschlicher handeln würde als der Homo sapiens vonheute, der sich angesichts etlicher Kriege und Grausamkeiten, die aktuell auf seinKonto gehen, nicht so viel auf seine Menschlichkeit einbilden sollte.
Ist technische Innovation per se etwas Positives? Führen Innovationen immer zu etwasGutem?
FS: Die Fähigkeit zur Innovation ist der wesentliche Überlebensvorteil unserer Ras-se. Sich die Zukunft vorstellen und diese aktiv gestalten zu können, hat uns die Füh-rungsrolle auf dem Planeten eingetragen. Per se ist Innovation gut, in ihren Auswir-kungen allerdings nicht immer positiv. Das liegt im Wesen der Innovation. Neuesauszuprobieren birgt die Chance, etwas Großartiges zu erschaffen, das allen nützt,aber im gleichen Maße das Risiko, das es gründlich schiefgeht. Innovation ohne Ri-siko ist nicht zu haben.
Ein Szenario in Science Fiction-Romanen: Die Roboter werden immer intelligenter undüben am Ende den Aufstand gegen die Menschen. Viele Wissenschaftler fürchten tat-sächlich die so genannte „Technische Singularität“. Der Begriff beschreibt den Punktder technischen Entwicklung, an dem sich Roboter selbst so schnell verbessern, dass siedie Menschheit überholen. Wer wird in Zukunft der Chef sein – Mensch oderMaschine?
FS: Die Menschmaschine, im Idealfall. Unsere nächsthöhere Entwicklungsstufe.Alles andere ist Spekulation, wenngleich sehr unterhaltsame.